Watt’n Konzert – Die ganz besondere Wattführung mit Albertus Akkermann
Watt’n Konzert steht für ein Akkordeon, eine mächtige Gesangstimme, einen begeisterten Wattführer & Musiker – kurzum für das Borkumer Original Albertus Akkermann. Eine Wattführung mit Albertus Akkermann ist ein unvergessliches Erlebnis & alleine schon ein Grund die Ostfriesische Insel Borkum zu besuchen.
Die Wattführung Watt’n Konzert entstand aus den zwei großen Leidenschaften von Albertus Jansen Akkermann: der Begeisterung für das ostfriesische Watt und die Liebe zur Musik & seinem Akkordeon.
Auf einer grandiosen Wattwanderung erklärt Albertus Akkermann die Flora und Fauna des Wattenmeers und rundet das Ganze mit ausdrucksstarken Liedern begleitet durch sein Akkordeon ab.
Inhalt
Aus anfänglicher Skepsis wird sofort Begeisterung
Vorweg muss ich zugegen, dass ich sehr misstrauisch war, ob ich einer Wattwanderung begleitet von einem Akkordeon und Gesang etwas abgewinnen könnte. Ist das nicht nur etwas für Reisebus-Touristen, die bespaßt werden wollen um jeden Preis?
Ich hatte zuvor noch nie etwas von Albertus Akkermann gehört. Meine Vorstellung hatte aus ihm ein hageres Männchen gemacht mit einer Ziehharmonika, die mindestens halb so groß wie der Mann selbst ist und der mit einer dünnen Stimme unbeteiligt & leidenschaftslos irgendwelche Lieder oder veralteten Gassenhauer gegen den Wind haucht.
Wir treffen Albertus Akkermann direkt an den Salzwiesen von Borkum im Südosten, einem beliebtem Startpunkt für Wattwanderungen. Mit Albertus Akkermann steht ein gewaltiges Energiebündel mit Bart vor uns, der mit seinem herrlich ostfriesischem Humor sofort jeden für sich einnimmt.
Als ich so unseren musizierenden und singenden Wattführer gegenüberstehe, muss ich erst einmal herzlich lachen, weil ich mit meinen Gedankengespinsten wirklich in jeder Hinsicht so danebengelegen habe, dass ich vermutlich gerade den Weltrekord im Danebenliegen aufgestellt hätte.
Albertus Akkermann erzählt uns die Geschichte, wie er dazu gekommen ist, Wattführungen mit Akkordeon und Gesang zu seinem Programm Watt’n Konzert zu verbinden.
Dann bekommen wir die erste Kostprobe zu hören. Seine Stimme ist voll, dominant, einnehmend. Die Lieder und Texte sind kraftvoll, mit eigener, tiefgründigen Atmosphäre und bestehen u.a. aus plattdeutschen Volksliedern, selbst komponierte Stücken und französischen Chansons, die genau zur jeweiligen Stelle & Stimmung im Watt passen.
Die Salzwiesen von Borkum
Unser Weg ins Watt führt uns zuerst durch saftige grüne, blühende Salzwiesen. Das Besondere an diesen Pflanzen ist, dass sie anders als andere Pflanzen, damit umgehen können, dass sie immer wieder von Meerwasser geflutet werden.
Die Pflanzen haben eindrucksvolle Mechanismen entwickelt, um den starken Salzgehalt des Wasser verarbeiten zu können und in dieser ansonsten pflanzenunfreundlichen Landschaft zu überleben.
Nicht wenige dieser Salzwiesenpflanzen sind auch als Heilpflanzen bekannt. Und wer auf die Blätter des Strandwermuts (oben) beißt, weiß auch gleich was es mit der Bedeutung „Wermutstropfen“ auf sich hat. Denn der Strandwermut ist extrem bitter.
Dominiert wird die Salzwiese hier von Blumen wie den Strandastern (Hintergrund) und den bereits stark verblühtem Strandflieder. In meinem Beitrag zum einsamen, wildschönen Osten von Wangerooge habe ich die Einteilung von Salzwiesen, die typischen Pflanzen und welche Mechanismen sie entwickelt haben, um das Meersalz auszuleiten, detailliert beschrieben.
Das Leben im Watt & seine tierischen Bewohner
Nach wenigen Metern haben wir das Watt erreicht und begeben uns auf die Suche nach den meist unsichtbaren Wattbewohner. Wo für unsere Augen nur nasses Watt unter unseren Füßen ist, da brodelt für unseren Wattführer das Leben.
Albertus Akkermann liebt seinen Job als Wattführer. Seine Begeisterung für alles was hier kreucht und fleucht oder sich im Sand eingräbt, färbt sofort auf mich ab.
Als erstes lernen wir Wurmspuren von Muschelspuren (Bildmitte) zu unterscheiden.
Und aufgrund der Spuren im Watt, weiß unser Wattführer auch sofort wo und welches Tier sich darunter verbuddelt hat.
Die Sandklaffmuschel – ein U-Boot im Watt
Als wir oder Albertus die richtigen Footprints entdeckt hat, wird der Spaten gezückt, um das Leben im verborgenen Watt an die Oberfläche zu befördern.
Neben jeder Menge Wurmlöcher findet Albertus mit geschulten Auge den perfekt getarnten Wohnsitz einer Sandklaffmuschel (Mya arenaria).
Ich muss schon sehr genau hinsehen, um die Sandklaffmuschel zu entdecken. Das kokette Herausstrecken ihres Fußes macht sie leichter erkennbar. Ja, Muscheln haben auch schöne Füße!
Den Namen Sandklaffmuschel hat diese Muschel, weil sie tief eingegraben im dem Schlick-Sand nicht mehr auf die Schließung ihrer Muschelschalen angewiesen sind. Sie klaffen sozusagen immer ein Stück auseinander.
Die Sandklaffmuschel befindet sich bis zu 30 cm tief im Sand. Durch den Spalt schiebt die Muschel ein langes röhrenartiges Organ heraus, den Sipho, der bis zur Bodenoberfläche reicht. Der Sipho enthält zwei separate Kanäle über die Wasser ein- und ausströmen Wasser kann. Der Wasserstrom bringt Sauerstoff und Nahrungspartikel.
Nähert sich ein Vogel oder wird die Muschel gestört, dann zieht sie den Sipho ruckartig zurück und spritzt gleichzeitig einen kräftigen Wasserstrahl heraus. Der Sand in ihrem Kanal fällt zusammen und sie ist für jeden und alle verborgen bis wieder alles sicher ist. Super clever!
Irgendwie erinnert sie mich an ein U-Boot im Watt. Was ich sonst noch damit assoziiere, darüber will ich hier nicht schreiben. ?
Die Sandklaffmuschel wird danach wieder sicher zurück in den Sand gesteckt, weil sie sich selbst sonst gar nicht mehr eingraben könnte und eine willkommene Beute für Vögel wäre.
Die Herzmuschel – ein rasenden Wattbewohner
Als nächstes ermuntert uns Albertus Akkermann, ein paar Herzmuscheln aus dem Sand auszugraben und sie zu einem Muschel-Wettrennen oder besser gesagt einem Muschel-Eingrabe-Rennen zu überreden.
Tatsächlich „laufen“ die Herzmuscheln sofort los, sobald wir sie wieder in eine Pfütze im Watt setzen. Sie buddeln wie wild und sind nach 1 Minute wieder komplett im Sand eingegraben und sind damit vor hungrigen Vögeln ansatzweise geschützt.
Diese Schnelligkeit hätte ich ihnen gar nicht zugetraut. Aber wenn’s ums Überleben geht, dann ist das auch für Herzmuscheln ein Grund zu rennen.
Während wir dem Herzmuschel-Wettrennen gespannt zusehen, hören wir ins Plattdeutsche übersetzte Lieder des französische Chansonniers Jacques Brel. Wow! Die Lieder sind so kraftvoll wie die Stimme von Albert Akkermann.
Bei Watt’n Konzert verschmilzt tatsächlich immer wieder die Landschaft mit der Stimme und dem Akkordeon zu einem großen Ganzen.
Seeringelwürmer – Vorsicht bissig!
Als nächstes gräbt unser Wattführer einen Seeringelwurm (Nereis diversicolor) aus. Hätte ich hier schon meine neue Panasonic Lumix G9 Kamera gehabt, hätte ich euch das Lächeln zeigen können, mit dem der Seeringelwurm genüßlich zubeißt.
Der Seeringelwurm lebt in selbst gegrabenen Wohnröhren in bis zu 10 cm Tiefe im Boden. Er ist ein Multitalent: er kann Plankton fangen, die Bodenoberfläche abweiden, als auch noch kleinere Watttiere fressen.
Für den Beutefang besitzt er 2 Kieferzangen. Damit nimmt der Seeringelwurm sogar den Kampf gegen Goliath auf und zwickt mutig auf der Haut.
Wattwürmer – Spaghettihäufchen-Produzierer & Wattpfleger
Wenn wir schon bei Würmern sind, darf natürlich der „gemeine“ Wattwurm (Arenicola marina) nicht fehlen. Unter jedem Spaghettihaufen befindet sich in ca. 20 cm Tiefe das Schwanzende eines Wattwurmes, der dort im waagerechten Teil seiner U-förmigen Röhre liegt.
Wer bei dem Anblick eines Wattwurms am liebsten „igitt“ ausrufen würde, der sollte daran denken, dass Schönheit immer im Auge des Betrachters liegt. ? Der Wattwurm frisst Sand und filtert die organischen Reste heraus, die sich im Wattboden befinden. Alle 30 – 40 Minuten kriecht er rückwärts aus seinem Gang heraus und scheidet eine 3 – 5 cm lange Kotschnur aus Sand aus.
Durch die Fressaktivität der Würmer werden die oberen 20 cm des Watts alljährlich umgegraben, was für viele andere Wattbewohner eine lebenswichtige Voraussetzung ist.
Die Pazifische Austern – Plage des Wattenmeers
Auf unserer Wattwanderung lernen wir auch die Pazifische Auster (Crassostrea pacifica) kennen. Wie ihr Name schon andeutet, stammt sie aus dem Nordpazifik (Japan, China) und gehört nicht hierher. Sie ist als blinder Passagier mit Schiffen in die Nordsee gelangt und wurde vor mehr als 30 Jahren auf Sylt kultiviert.
Von den Muschel-Farmen wurden ihre Eier dann überall in die Nordsee gespült. Wer hätte das wohl nicht erwartet? Seither verbreitet sie sich unaufhaltsam im Norddeutschen Wattenmeer.
Bei der gebietsfremden Pazifischen Auster handelt es sich um eine invasive Art, d.h. sie hat unerwünschte, verdrängende Auswirkungen auf andere heimische Muschelarten – vor allem auf die Miesmuschel. Die Austern-Plage überwuchert die Miesmuschel-Muschelbänke und macht sie zu Austern-Riffs.
Einen Schönheitswettbewerb kann die meist als größere Austern-Klumpen vorkommende Muschel nicht gewinnen. Aber sie schmeckt lecker. Also Fischereischein besorgen & Austern sammeln gehen im Urlaub!
Bedeutet dies das Aus für die heimische Miesmuschel? Die Miesmuschel beginnt aus der Not eine Tugend zu machen und siedelt sich inzwischen teilweise unter den großen Austern an. Dort ist sie sogar wesentlich besser vor Vögel-Fressfeinden geschützt. Fragt sich nur, ob auch die Vögel sich schnell genug anpassen und lernen können, satt der Miesmuschel auch die dicken, sperrigen Schalen der Austern – die bislang keine Fressfeinde hat – irgendwann zu öffnen.
Nur ein kleiner, aber beeindruckender Einblick in das Leben im Watt
Eine Wattführung von 2 – 3 Stunden kann nur einen winzig kleinen Teil, von dem Artenreichtum zeigen, der im Watt zu beobachten ist oder sich in dem Sand-Schlick versteckt.
Es gibt eine Vielzahl von weiteren Muschelarten, Würmern, eine Menge von Krebsen, Schnecken, Insekten und Vögeln, die auf einer Wattwanderung entdeckt werden können und jede Wattwanderung verläuft etwas anders.
Vieles mehr habe ich auch auf meinem Wattspaziergang gesehen und vor Verblüffung einfach ab und zu vergessen in einem Foto festzuhalten.
Es lohnt sich also immer wieder auf’s neue diese beeindruckende Wattenmeer-Landschaft unter die Füße zu nehmen, wo auch immer du dich gerade an der Nordsee befindest.
Vögel im Watt
All das, was wir kennengelernt haben und sich mit Vorliebe im Strand verbuddelt, tut es aus einem guten Grund: der Sand bietet Schutz vor hungrigen Vögeln.
Je nach Jahreszeit brodelt das Wattenmeer von Heerscharen von Vögeln. Manche machen hier nur kurze Rast, um sich nach wochenlangen Flügen endlich wieder einmal den Bauch voll zu schlagen, andere leben hier permanent.
Zu den allgegenwärtigen Wattvögeln gehört der Austernfischer(Haematopus ostralegus), der durch sein auffälliges Federkleid und seinen orangefarbenen Schnabel leicht auszumachen ist. Vielleicht wird ja er irgendwann lernen auch die harten, großen Pazifischen Austern zu öffnen, um seinem Namen dann noch mehr Ehre zu machen.
Ein Plakat als PDF von allen Vögeln im Wattenmeer kannst du dir auf der Webseite des Nationalpark Wattenmeer – Niedersächsisches Wattenmeer – Publikationen ansehen oder herunterladen.
Gefährliche Schlicklöcher im Watt
Alle die das Watt nicht ganz genau kennen, sollten sich nur im Rahmen einer Wattführung oder geführten Wattwanderung ins Watt begeben. Aber wem sage ich das?
Die Nordsee ist für mich „fremdes Terrain“ und ich bin tatsächlich immer wieder absolut überrascht, wie schnell sich das Wasser bei Flut das Watt zurückholt. Unser Wattführer zeigt uns aber auch, dass nicht nur die Flut eine Gefahr im Watt darstellst, sondern auch harmlos aussehende Schlicklöcher.
Eine(r) von uns darf dieses „Versinken-Gefühl“ im Watt einmal ausprobieren und erzählen wie es sich anfühlt. Albertus Akkermann weiß allerdings, dass es sich hier um ein sicheres, nicht tiefes Schlickloch handelt.
Bei größeren Wattwanderungen hat er auch immer ein Seil dabei und er benötigt es auch immer wieder trotzt aller Warnungen. Oft sind Schlicklöcher eben für jemanden, der das Watt nicht genau kennt, gar nicht auszumachen.
Ohne selbst in dem Schlickloch zu stecken, ist es von außen leicht ersichtlich und hörbar, wie das Schlickloch im Watt böse schmatzend nach den Beinen greift und ganz schnell mehr fordert. Es bedarf tatsächlich Kraftanstrengung hier auch aus diesem letztendlich freundlichen Schlickloch wieder zu entkommen.
Résumé: Watt’n Konzert Wattwanderung
Sie ging viel zu schnell vorbei – obwohl wir mit gut 2,5 Stunden unterwegs waren. Wer die Möglichkeit hat, bei einer der viel zu seltenen Watt’n Konzert Termine auf Borkum zu sein, dem kann ich dieses Highlight nur ans Herz legen. Aber auch die Wattführungen ohne Akkordeon sind ein unvergessliches & bereicherndes Erlebnis.
Allein schon eine Begegnung mit dem charismatischen, grandiosem, humorvollen Wattführer Albertus Akkermann ist eine Reise nach Borkum wert. Seine Begeisterung und die Liebe für’s Watt & die Musik sind auf Schritt und Tritt zu spüren & stecken jeden an.
Meine Tipps:
- Nackte Füße, Neoprensocken, Gummistiefel oder welches Schuhwerk? Ich liebe es barfuß zu laufen und für mich ist klar, dass – wenn es die Temperaturen zulassen – ich barfuß ins Watt gehe. Wem das zu matschig ist, kann sich Neoprensocken nehmen. Bei kälteren Temperaturen sind Gummistiefel sicher am geeignetsten. Gegen ein paar Groschen sind Gummistiefel & Socken ausleihbar (falls in der richtigen Größe vorhanden).
- Wer keine Gummistiefel benutzt, sollte bei Hosen darauf achten, dass sie hochzukrempeln sind. Je nach Wetter sind Regenjacke, Kameraschutz oder etwas zu trinken empfehlenswert.
- Die Termine für das Watt’n Konzert findest du auf den Webseiten der Borkumer Kleinbahn. Dort findest du auch weitere Informationen, Preise, Zeiten usw. zu allen Wattwanderungen auf Borkum.
- Mit ein bisschen Glück findet vielleicht während eures Borkum Urlaubs auch ein Konzert von Albertus Akkermann mit seiner Band Triangel statt. Einfach mal nachsehen & hingehen.
- Weitere Highlights und Sehenswürdigkeiten, die den Charme der Insel Borkum ausmachen, stelle ich für dich gerade in einem weiteren Beitrag zusammen.
- Die Highlights und viele Tipps zu den Ostfriesischen Inseln Spiekeroog und Wangerooge, sowohl dem malerischen Greetsiel und den idyllischen Warfendörfer der Krummhörn findest du unterhalb dieses Beitrages unter „Weiterlesen & Inspirieren lassen“ … viel Spaß beim Stöbern.
Kann dich mein Reisebericht zu Watt’n Konzert mit Albertus Akkermann auch begeistern? Hast du Lust bekommen, unser UNESCO Welterbe Wattenmeer auch zu entdecken? Fragen, Tipps, Anmerkungen – bitte in den Kommentaren hinterlassen.
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war schön
Danke, Leon … das stimme ich dir voll und ganz zu :)
Sonnige Grüße
Petra
Vielen Dank für diesen tollen Beitrag!
Sehr gerne!